Nachhaltigkeit und Fernreisen? Ist das möglich und wenn ja wie?
Wer klimaneutral lebt, fliegt praktisch nicht. Wir alle wissen inzwischen sehr genau, dass sich eine hohe Form der Mobilität insbesondere auf Fernreisen negativ auf das Klima auswirkt. Fakt ist, dass wir auf Langstreckenflüge möglichst verzichten sollten, um auch mit persönlichen Maßnahmen den CO2-Fußabdruck nicht nur für uns selbst, sondern auch für unsere eigenen Kinder zu reduzieren.
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Bewusstes Reisen beziehungsweise der Sanfte Tourismus und das vor allem in der Umgebung und nicht in der Ferne sind eine Möglichkeit, unterwegs zu sein, ohne auf Abenteuer im Alltag verzichten zu müssen. So bietet Europa eine unglaubliche Vielfalt an Landschaften und Kulturen, die wunderbar mit dem Auto und dem Zug, aber auch mit dem Fahrrad entdeckt werden können.
Doch was ist, wenn das Fernweh wie ein juckender Fuß im hohen Winterstiefel uns keine Ruhe lässt? Wenn fiese, vermeintlich super sexy Instagram-Accounts uns einen coolen Reise-Lifestyle auf fernen Kontinenten vorleben und die Kollegin wieder einmal von den Seychellen schwärmt?
Wir haben uns gefragt, wie man seinen ökologischen Fußabdruck möglichst kleinhält und dabei trotzdem exotische Länder bereist. Als Familie natürlich, denn je mehr Menschen reisen, desto größer werden die schädlichen Fußspuren, die man hinterlässt.
Ja, es geht um den persönlichen Verzicht!
Von der Einführung einer CO2-Steuer auf Flugtickets über die segelnde Greta als Symbol für den Klimawandel bis zum Nachbar, der nur noch mit dem Zug reisen möchte und seine grünen Smoothies mit recycelten Papierstrohhalmen schlürft: Die Bedeutung des vom Menschen gemachten Klimawandels hat jeden kleinen Winkel unseres westlichen Verhaltens erreicht – sei es über die Politik, die Presse oder über die neu angeeigneten Verhaltensweisen vieler vorbildlichen Mitmenschen. Diese Verhaltensweisen müssen auf großen und somit auf politischen und wirtschaftlichen Ebenen, aber auch in kleinen Bereichen z. B. die persönliche Lebensart betreffend, geändert werden, um die katastrophalen Konsequenzen für uns alle einzudämmen.
Es wird einem bewusst, dass man mit Langstreckenflügen nicht nur sein Gewissen belastet, sondern sich auch in Rechtfertigungen wiederfindet, warum das letzte, vorletzte und vorvorletzte Flugschnäppchen in die Sonne dann doch in den Weihnachtsferien sein musste. Schließlich geht es um einen Verzicht der Umwelt zuliebe. Einen Verzicht, den wir alle als Opfer für unsere Zukunft einläuten sollten. Den Verzicht auf das spannende Globetrotter-Leben, ein Leben ohne Grenzen im räumlichen Sinne, den Verzicht, Fremdes am anderen Ende der Welt kennenzulernen, neue und weit entfernte Kulturen zu umarmen. Aber ist das wirklich so? Müssen wir verzichten?
Positive Aspekte: Fernreisen haben nicht nur Nachteile für die Gesellschaft
Wenn es nicht gerade ein All-Inclusiv-Cluburlaub in der Karibik ist, kann eine Fernreise besonders mit Kindern den persönlichen Horizont erweitern. Das kann wiederum Vorteile für das Zusammenwachsen unterschiedlicher Kulturen im eigenen Land haben. So sind die Herausforderungen von Migration überall spürbar. Durch Kriege, Klimakatastrophen, Hass und andere Missstände verlassen immer mehr Menschen ihre Heimat, um in Frieden leben zu können. So treffen mehr und mehr unterschiedliche Kulturen und Lebensformen aufeinander. Doch eine harmonische Verschmelzung jener Kulturen klappt leider nicht immer. Viele Menschen haben Angst vor Veränderungen, vor allem wenn sie ihr Leben lang nur in ihrer kleinen Schmuckschachtel gehaust haben – friedvoll und ohne größere Herausforderungen durch die Fremde, die wie eine Bedrohung alles Gewohnte zu verschlingen versucht.
Das Reisen in fremde Kulturen fordert uns heraus, lässt uns unsere Komfortzone verlassen, macht uns neugieriger, toleranter und mutiger. Fremde werden zu Freunden. Ungewohnte Kulturen und andere Lebensweisen erweitern unsere Sichtweisen auf unser eigenes Leben. Somit erweitern wir auf und durch Reisen nicht nur unseren eigenen Horizont, sondern verändern auch unsere Perspektive auf das Leben Anderer. Besonders in den von Fremdenhass belastenden Zeiten ist dies ein wichtiger Aspekt, um das Zusammenwachsen von Kulturen mit offenen Armen begrüßen zu können und diese Offenheit gegenüber dem zunächst Unbekannten unseren Kindern vorzuleben.
Wenn wir dazu die Wirtschaft vor Ort stärken, lokale Produkte kaufen, internationale Hotel- und auch Supermarktketten vermeiden, unterstützen wir durch unsere Reiseausgaben die Einheimischen. Denn der Tourismus stellt vor allem in Schwellenländern nach wie vor einen sehr wichtigen Wirtschaftszweig dar.
Der gänzliche Verzicht aufs Fliegen ist natürlich vorbildlich für die Umwelt, doch dieser Weg kann und muss nicht von jedem gegangen werden. Schließlich geht es um den sensiblen und bewussten Umgang mit dem Thema Fernreisen und Fliegen. Das Wie und Warum ist entscheidend, um vor allem auch die genannten positiven Aspekte von Fernreisen auszuschöpfen.
Fernreisen bewusst planen
Nur mal eben kurz zu Silvester nach New York City düsen? Eine Woche Karibikurlaub in dem Fünf-Sterne-Club einer amerikanischen Hotelkette, um dem Winter zu entfliehen? Durchgefallen! Zumindest werdet ihr mit diesem Lebensstil niemals die Auszeichnung als umweltfreundlichste Familie auf Reisen“ erhalten. Wen es in die Ferne zieht, sollte sich vorab folgende Fragen stellen:
Schließlich geht es darum, nicht gänzlich auf Mobilität zu verzichten, sondern bewusster zu reisen, Fernreisen selten einzuplanen, und wenn dann möglichst lange vor Ort zu bleiben. Am Ende wäre schon sehr viel für die Umwelt getan, wenn wir seltener auf Langstreckenflügen unterwegs wären und Kurztrips vor allem in der Nähe machen würden – am besten mit der Bahn oder mit dem Rad. An dieser Stelle noch einmal: Die eigene Heimat und der Kontinent Europa haben so viel zu bieten – wir vergessen das nur gern in Zeiten weltweiter digitaler Vernetzung.
Durch unser Projekt familienurlaub.eu lernten auch wir neue Reiseländer und –regionen in Europa und vor allem vor der eigenen Haustür besser kennen und schätzen. Die kulturelle Vielfalt unseres Kontinents ist einfach unglaublich! Auch wenn sich unsere Reisebereitschaft vorwiegend auf Europa beschränkt, zieht es uns gelegentlich dennoch in die Ferne. Dies aber nur noch sehr ausgewählt und bewusst. Die Gewissensbisse bleiben und lassen sich auch nicht durch die CO2-Kompensation mithilfe von Projekten wie atmosfair und Co lindern (obwohl dies ein toller Ansatz ist, den wir voll und ganz unterstützen). Auf familienurlaub.eu berichten wir im Magazin über unsere ausgewählten Fernreisen und beleuchten auch hier das Thema Nachhaltigkeit im jeweiligen Reiseland.
Gehen Fernreisen auch ohne schlechtes Gewissen? Tipps und Anregungen
An dieser Stelle dürfen wir uns nichts vormachen. Fernflüge belasten die Umwelt stark. Wer also in die Ferne reisen möchte, muss dies stets mit seinem eigenen Gewissen vereinbaren. Hier muss auch unterschieden werden: Nachhaltig Reisen bedeutet nicht klimaneutral zu reisen. Es geht vor allem um den Respekt vor Mensch und Natur, der im Fokus nachhaltiger Reisen steht.
Es gibt zahlreiche Reiseanbieter, Organisationen und Verbände, die sich auf das Thema spezialisiert haben. Mit diesen Tipps ist das große schlechte Gewissen vielleicht ein bisschen kleiner. Eine handverlesene Auswahl:
- Reiseportal www.fairunterwegs.org: Hier dreht sich alles um den fairen Umgang von Mensch und Natur auf Reisen – nah und fern. Detaillierte Berichte und Reiseempfehlungen zu weltweiten Destinationen auf das Thema Nachhaltigkeit abgestimmt findet ihr hier.
- www.erlebe-fernreisen.de: Nachhaltige, individuelle Rundreisen, die im Baukastenprinzip selbst zusammengestellt werden können mit Fokus auf die vor Ort zu entdeckenden Kulturen.
- www.travel-to-nature.de: Nachhaltige, verantwortungsbewusste Reiseangebote mit dem Schwerpunkt auf Südamerika.
Zum Thema welche Verantwortung wir als Touristen tragen sowie wie wir unsere (Fern-)Reise möglichst ressourcenschonend gestalten können: Das folgende Handbuch ist uns besonders ins Auge gefallen. Es bietet nicht nur spannende Hintergrundinformationen, sondern auch zahlreiche Tipps für (Fern-)Reisende, die einfach umzusetzen sind. Frank Herrmann: “FAIRreisen: Das Handbuch für alle, die umweltbewusst unterwegs sein wollen”.
familienurlaub.eu-Tipp: Extrem einfach in den Reisealltag einzubinden: Im Reisegepäck eine Greifzange dabei haben und an vermüllten Stränden einsetzen. Denn wer von euch sitzt nicht auch gern an einem sauberen Strand? Der wohl einfachste Schritt, um unser vermülltes Paradies ein wenig aufzuhübschen. Besonders clever: die faltbare Greifzange von Trixes.
Europa lieb haben – für euch und für die Umwelt
Seit einigen Jahren entdecken wir Europa neu und das nicht nur der Umwelt zuliebe. Während vor einigen Jahren exotische Fernreisen noch hoch im Kurs standen, sind nicht nur wir über die vielfältigen Orte in Europa überrascht, die durch hippe Asienurlaube und spannende Amerikareisen bei vielen in Vergessenheit geraten sind.
Besonders in Deutschland haben es uns die zauberhaften Orte und ihre mystischen Geschichten angetan. Ein Familienurlaub im Spreewald mag für den ein oder anderen erst einmal langweilig klingen. Auf einem Kahn sitzend durch die magischen Orte schippernd sieht das dann doch gleich ganz anders aus. Inmitten von verwachsenen Wasserstraßen, die man sich mit Biber, Otter und Co teilt, scheint die Zeit still zu stehen. Während die leuchtend blauen Libellen um einen herum schwirren, vergisst man hier schnell in Deutschland zu sein – abgesehen von den drolligen Gartenzwergen, über die es sich auch schmunzelnd hinwegsehen lässt.
Fazit
Es ist eigentlich ganz einfach: Möglichst im eigenen Land/Kontinent reisen, Flüge vermeiden und die Möglichkeiten von Zug und Co nutzen. Und wenn es doch mal weiter sein soll: Langstreckenreisen gut planen. Lieber länger verreisen und Kurztrips in die Ferne vermeiden. Die Wirtschaft vor Ort unterstützen, nachhaltige Reiseanbieter nutzen. Schließlich geht es darum, bewusst und verantwortungsvoll zu reisen.