“Wie immer war ich mit allem etwas spät dran und eine so wichtige Entscheidung zu treffen, fiel mir ganz und gar nicht leicht. Das Abi in der Tasche, danach ein bisschen durch die Welt getingelt, war ich jetzt wohl an dem Punkt angelangt, meine erste wirklich wichtige “erwachsene” Entscheidung zu treffen, die mein Leben maßgebend beeinflussen würde.
Schließlich soll die Studienzeit – so habe ich mir von unserer Mutter sagen lassen – die schönste Zeit des Lebens sein. München? Göttingen? Berlin? Oder doch lieber in der Nähe meiner Heimat in Köln? Da ich weder Medizin noch Jura studieren wollte (mein Abischnitt hätte es ohnehin nicht zugelassen), konnte ich mir die Uni aussuchen. Aber wo sollte es hingehen?
Tag 1
Um ein wenig Licht ins Dunkel der möglichen Unistädte zu bringen, ging es also an einem Donnerstag mit dem Golf unserer Eltern Richtung München. Die Allianz Arena – direkt an der A 9 gelegen – löste kurz vor München bei meinem Bruder Schnappatmung aus. Zugeben, sie sieht recht beeindruckend aus, wenn sie majestätisch in den Farben Rot und Blau erstrahlt. Für mich bedeutete die Allianz Arena lediglich, dass wir unser Schlafdomizil für die nächsten 2 Nächte endlich erreicht hatten.
Bastis bester Freund Martin wohnt in der Studentenstadt, im Norden von München in Schwabing-Freimann und würde uns in seinem kleinen Zimmer in seiner WG beherbergen. Am Wochenende wollten unsere Eltern nachkommen, um endlich mal wieder ein bisschen Großstadtluft zu schnuppern.
Anfangs war ich etwas überrascht, die Studentenstadt war wirklich eine kleine Stadt mit zum Teil unglaublich hässlichen Hochhäusern aus den 70ern. Nicht so meins, aber gut. Martin wohnte mit 7 anderen Studenten zusammen, die die Küche durch eine gemeinsame Kochaktion in einen derartigen Saustall verwandelt haben, dass unsere Mutter auf der Stelle in Ohnmacht gefallen wäre.
Ich dachte, es handelt sich lediglich um ein Klischee, dass es in einer Männer-WG mit Ordnung und Sauberkeit nicht so ernst genommen wird… Nun, ich wurde eines Besseren belehrt, aber das hat selbst mich umgehauen. Man muss ihnen aber zugutehalten, dass das Essen zumindest geschmeckt hat.
Tag 2
Am nächsten Tag ging es los mit meiner Stadtführung, die wir vorwiegend mit dem Fahrrad vollzogen, denn München ist eine Fahrradstadt und Leihräder zu bekommen, ist hier für Groß und Klein eine Leichtigkeit. Das Unihauptgebäude am Geschwister-Scholl-Platz an der Leopoldstraße sieht wirklich beeindruckend aus und auch hier sollte ich in Zukunft studieren. Allein die Fahrt von der Studentenstadt dorthin ist ein Highlight und es fühlte sich an wie im Urlaub: blauer Himmel, Sonnenschein nette Cafés am Straßenrand und eine Allee aus grünen Bäumen.
Nach einem Abstecher in die Gegend um die Schelling- und Türkenstraße mit vielen Cafés, Buchhandlungen, Copyshops, Unigebäuden und netten Läden zum Shoppen (Kauf dich Glücklich kann ich nur empfehlen) ging es für eine kleine Mittagspause in den Englischen Garten.
Ich dachte, wir fahren in irgendeinen botanischen Garten und da ich gerade einmal eine Rose von einem Gänseblümchen unterscheiden kann, hielt sich meine Begeisterung in Grenzen. Zum Glück wurde ich eines Besseren belehrt, wir überquerten an der Uni lediglich die Leopoldstraße, fuhren der Masse hinterher und schon waren wir mitten drin in diesem grünen Paradies, das für Familien mit Kindern, Studenten und Hunde eine ganze Menge zu bieten hat.
Der Eisbach – so hieß der kleine Bach, der mitten durch den Englischen Garten fließt, ist für mich ein absoluter Traum. Es fühlt sich an wie ein Sommerurlaub – und das mitten in München. Das Wasser ist unglaublich klar und erfrischend, einfach rein ins eiskalte Nass und treiben lassen. Wahnsinn, da kann man im Sommer zwischen Vorlesungen echt super entspannen oder lernen (letztere ist die Variante für meine Eltern ;))
Martin erzählte mir, dass sich viele von den Wasserratten einige hundert Meter treiben lassen, auf der Höhe der U-Bahn-Station Giselastraße “aussteigen” und sich dann klitschnass und nur mit Badehose oder Bikini bekleidet mit der Tram (auf hochdeutsch: Straßenbahn) zurückfahren lassen, um das Spiel von vorne zu beginnen. Keine Ahnung, ob das stimmt, es hört sich doch ein bisschen hanebüchen an… Sollte ich mich für München entscheiden, werde ich es herausfinden und wahrscheinlich auch selbst ausprobieren.
Richtung Odeonsplatz, Hofgarten und Marienplatz ging es dann mit einem Stopp beim “Verrückten Eismacher” (ja, hier gibt es wirklich verrückte Eissorten!) in der Amalienstraße mit dem “Radl” (auf hochdeutsch: Fahrrad) weiter, gegen Abend dann durch den Englischen Garten wieder zurück zur Studentenstadt.
Eine der berühmten Stockwerkspartys stand auf dem Programm. Daran könnte ich mich wirklich gewöhnen, schließlich bin ich jung und da wird nun einmal gefeiert. Leicht angedüdelt sind wir spät abends mit dem Fahrrad zum Feringasee in Unterföhring gefahren, haben ein Mitternachtsbad eingelegt und sind dann erschöpft (mein Bruder und ich leider nur auf einer unbequemen Luftmatratze) eingeschlummert.
Tag 3
Am Samstagvormittag ging es dann mit unseren Eltern ins BMW Museum und in die BMW Welt. Für mich war es ganz nett anzusehen, aber als Highlight würde ich es nicht bezeichnen. Ganz im Gegensatz zu meinen Eltern – beide Ingenieure und Oldtimer-Fanatiker. Die Zwei waren hin und weg. Nachmittags stand ein Besuch des Tollwoods-Festivals auf dem Programm, das im nahegelegenen Olympiapark (der allein schon einen Besuch wert ist) jedes Jahr im Sommer – und wohl auch im Winter auf der Theresienwiese – stattfindet.
Basti und mir hat das Sommertollwood mit den vielen Ständen, Bars und dem leckerem Essen echt gut gefallen, meinen Eltern war es etwas zu voll, größere Menschenansammlungen sind einfach nicht ihr Ding.
Abends ging es – auf Empfehlung von eingesessenen Münchnern – in den Biergarten am Wiener Platz. Auch wenn hier im Sommer einiges los ist, ist der Besuch einer so typischen bayerischen Institution wie ein Biergarten doch ein absolutes Muss für jeden München-Besucher. Meine Eltern stehen ohnehin auf die deftige Küche und viel Fleisch, für mich darf es zwar auch deftig, dafür aber weniger tierisch sein:
Kaasspatzen und Spinatknödel gibt es Gott sei Dank überall und lecker sind sie auch. Sonntagmorgen haben wir noch im “Bapas” an der Leopoldstraße gefrühstückt, bis wir vier uns alle wieder auf den Weg in die Heimat gemacht haben.
München, ich muss dir sagen, auch wenn du ganz schön weit weg von Zuhause, meinen Eltern, meinen Freunden und meinem Bruder und unglaublich teuer bist (was die Mieten anbelangt, spinnst du wohl etwas), hast du dich an diesem verlängerten Wochenende wirklich von deiner besten Seite gezeigt, sodass du bei mir ganz weit vorne mit dabei bist.
Ich dachte immer, du bist eine richtige Großstadt, aber irgendwie ist es sehr gemütlich und entspannt bei dir, mit dem Fahrrad kann man alles gut erreichen, denn ich bin absolut kein Fan von vollgestopften und muffigen U-Bahnen.“